Das endlose juristische Martyrium der Eltern von Marta del Castillo
Die Aufhebung der Verurteilung von „El Cuco“ und seiner Mutter Rosalía García ist der jüngste Schlag in einer langen Reihe von Rückschlägen. Antonio del Castillo fällt es schwer, Worte zu finden. Seitdem er vor fast 15 Jahren erstmals vor die Kameras trat, um Gerechtigkeit für seine Tochter Marta zu fordern, hat er selten gezögert, seine Gedanken offen auszusprechen. Doch gestern war das anders. Das Urteil, das Francisco Javier García, bekannt als „El Cuco„, und seine Mutter Rosalía García trotz eines gerichtlichen Geständnisses, im Prozess von Oktober bis November 2011 gelogen zu haben, von jeglicher Strafe freispricht, ist zu viel für den Vater von Marta del Castillo. Er benötigte 24 Stunden, um zu überlegen, was er zu diesem erneuten juristischen Rückschlag sagen soll – einem weiteren Punkt in der langen Liste von Enttäuschungen, die die Familie in den letzten 15 Jahren ertragen musste. Auf seinem Twitter-Profil veröffentlichte Antonio del Castillo eine Zeichnung, die die Justitia darstellt – blind, aber mit einer ausgestreckten Hand, die einen Geldscheinbündel entgegen nimmt. Die Botschaft ist klar, Worte sind überflüssig. .
Zerbrochene Beziehungen zur Justiz
Die Beziehung der Familie Del Castillo zu Richtern und Staatsanwälten ist seit Jahren zerrüttet. Grund dafür sind die unermüdlichen Versuche der Eltern der 2009 ermordeten Marta, den Fall wieder aufzurollen, den Prozess zu wiederholen (aus dem nur Miguel Carcaño als Verurteilter hervorging), neue Suchaktionen nach der Leiche ihrer Tochter (die bis heute nicht gefunden wurde) zu fordern oder die angebliche Täterschaft von Carcaños Bruder Francisco Javier Delgado zu untersuchen. Ebenso forderten sie die Analyse nicht ausgewerteter Daten von den Handys aller Verdächtigen.
Eine Kette von Rückschlägen
In den letzten zwei Jahren hat die Familie drei bedeutende juristische Niederlagen erlitten. Zunächst wies das Provinzgericht von Sevilla endgültig alle Versuche zurück, Carcaños Bruder erneut vor Gericht zu stellen, obwohl die letzte Version des Verurteilten ihn als Täter des Mordes an Marta bezeichnet. Zudem brachte die Untersuchung der Mobilfunkdaten durch einen Experten keine neuen Erkenntnisse, da die Richter die Untersuchung der Handys der bereits Freigesprochenen ablehnten. Nun beendet die jüngste Entscheidung der Ersten Kammer des Provinzgerichts die Hoffnung der Familie endgültig.
Das Urteil, das gestern den Parteien mitgeteilt wurde, trifft die Familie Del Castillo besonders schwer. Zum einen waren es Martas Eltern, die „El Cuco“ und seine Mutter wegen Meineides anzeigten und sie vor Gericht brachten. Zum anderen bestätigt das Gericht, dass sie gelogen haben – trotzdem werden sie nicht bestraft.
Juristische Grauzonen und harte Kritik
Die juristischen Grauzonen rund um die Figur des Zeugen-Mitbeschuldigten, wie im Fall von „El Cuco“, der zum Zeitpunkt der Tat minderjährig war, sowie der Umstand, dass niemand Rosalía García vor ihrer Aussage darauf hingewiesen hatte, dass sie Fragen verweigern konnte, die ihrem Sohn schaden könnten, waren ausschlaggebend für die Aufhebung des Urteils des Strafgerichts Nummer 7. Dieses hatte „El Cuco“ und seine Mutter zu zwei Jahren Haft sowie einer Geldstrafe und einer Entschädigung von 30.000 Euro für Martas Eltern verurteilt. Das Provinzgericht kritisiert den Richter des Strafgerichts scharf und zerstört damit die letzten Hoffnungen einer Familie, die auch 15 Jahre nach Martas Tod weder Trost noch Antworten gefunden hat.
Die Netflix Dokumentation ¿Dónde está Marta?
(Februar 2023)
Die dreiteilige Netflix-Dokumentation „¿Dónde está Marta?“ nimmt Dich mit auf eine emotionale und detailreiche Reise durch den Fall des Verschwindens von Marta del Castillo. Die Serie beleuchtet nicht nur die schockierenden Ereignisse rund um die 17-jährige Sevillanerin, sondern zeigt auch die Lücken und Widersprüche, die diesen Fall bis heute ungelöst lassen.
Eine Tragödie, die ganz Spanien bewegte
Die Serie beginnt mit den letzten Stunden vor Martas Verschwinden. Sie verließ an einem Winterabend im Januar 2009 das Haus ihrer Familie, um sich mit ihrem Ex-Freund Miguel Carcaño zu treffen. Was danach geschah, bleibt bis heute ein Mysterium. Die erste Episode der Dokumentation rekonstruiert diese Nacht minutiös und lässt Dich tief in die Verzweiflung der Familie eintauchen. Interviews mit Martas Eltern, Freunden und Ermittlern geben Dir einen Einblick in die unmittelbare Reaktion der Gemeinschaft, die sich geschlossen an der Suche nach Marta beteiligte.
Widersprüche und verlorene Spuren
Die zweite Folge legt den Fokus auf die Ermittlungen und die vielen Hindernisse, die sie geprägt haben. Die widersprüchlichen Aussagen der Verdächtigen, insbesondere von Miguel Carcaño und Francisco Javier García, genannt „El Cuco“, werden detailliert untersucht. Carcaño gestand mehrfach den Mord an Marta, änderte jedoch immer wieder die Version seiner Geschichte, was die Suche nach der Wahrheit zusätzlich erschwerte. Hier zeigt die Dokumentation eindrucksvoll, wie die Unstimmigkeiten und möglicherweise unzureichenden Ermittlungsansätze dazu beitrugen, dass Martas Leiche bis heute nicht gefunden wurde.
Besonders bewegend ist die Darstellung der wiederholten Enttäuschungen, die Martas Familie durchleben musste. Immer wieder schöpften sie Hoffnung, dass neue Hinweise oder Technologien endlich Klarheit bringen könnten, nur um von der Justiz oder weiteren Widersprüchen enttäuscht zu werden. Die Suche nach Martas Leiche, die mittlerweile in verschiedensten Gebieten – von Flüssen bis zu Mülldeponien – intensiviert wurde, steht sinnbildlich für den Schmerz der Eltern, die keine Ruhe finden können.
Der Kampf vor Gericht
Die abschließende Episode der Serie widmet sich den Prozessen und den juristischen Nachwirkungen des Falls. Es wird aufgezeigt, wie Miguel Carcaño zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, während andere Verdächtige entweder freigesprochen oder gar nicht erst angeklagt wurden. Der Dokumentarfilm beleuchtet auch die umstrittenen Entscheidungen der Justiz, etwa die wiederholte Ablehnung, weitere potenzielle Verdächtige vor Gericht zu bringen, trotz neuer Hinweise, die in Carcaños Aussagen auftauchten.
Ein zentrales Thema ist der unermüdliche Einsatz von Martas Familie, die nicht nur nach der Wahrheit sucht, sondern auch dafür kämpft, dass die Verantwortlichen für den Mord an ihrer Tochter zur Rechenschaft gezogen werden. Der Schmerz der Eltern, insbesondere der Mutter, ist in jeder Szene spürbar und vermittelt eindringlich, wie sehr dieser Fall ihre Leben und die Gesellschaft geprägt hat.
Ein unvergessliches Porträt eines ungelösten Verbrechens
„¿Dónde está Marta?“ ist nicht nur eine Dokumentation über einen Kriminalfall, sondern ein bewegendes Porträt über den unermüdlichen Kampf einer Familie gegen das Vergessen und die Ungerechtigkeit. Die Serie schafft es, die komplexen Emotionen, die der Fall auslöst, in beeindruckenden Bildern und berührenden Interviews zu vermitteln. Sie zeigt Dir, wie leicht Vertrauen in die Justiz und die Hoffnung auf Gerechtigkeit erschüttert werden können, und lässt Dich am Ende mit der Frage zurück, ob es in diesem Fall jemals Antworten geben wird.
Diese Dokumentation ist eine tief bewegende Erinnerung daran, dass hinter jeder Schlagzeile echte Menschen stehen, deren Leben unwiderruflich verändert wurde. Sie ist ein Plädoyer für Aufklärung, Gerechtigkeit und die unverzichtbare Kraft von Hoffnung und Beharrlichkeit.
Suche nach Marta del Castillo wird eingestellt
(November 2022)
Der Vater von Marta del Castillo, Antonio, hat es als „beschämend“ bezeichnet, dass das Oberste Gericht von Sevilla das seit 2009 laufende Verfahren zur Suche nach seiner Tochter eingestellt hat. In einem Beschluss vom 26. Oktober 2022 wies das Gericht von Sevilla die Berufung der Familie von Marta del Castillo gegen die Entscheidung des Richters zurück, der nur die Extraktion von Daten aus den Mobiltelefonen von Miguel Carcaño, dem geständigen Mörder, und von Marta genehmigt hatte, nicht aber aus denen der übrigen an dem Fall Beteiligten.
Álvaro Martín, der Vorsitzende der 4. Instanz in Sevilla, hatte im vergangenen April beschlossen, die Motive von Carcaño und Marta zu untersuchen, um die Bewegungen des geständigen Mörders in der Tatnacht zu ermitteln. Die Verteidigung der Familie schlug vor, dies auch auf die anderen in den Fall verwickelten Personen auszudehnen: Samuel Benítez, Francisco Javier Delgado, den Bruder von Carcaño, und dessen Freundin María García.
José Antonio Casanueva, der Großvater von Marta, hat gegenüber der Presse erklärt, dass er die Suche nach der Leiche seiner Enkelin fortsetzen wird, so wie er es schon seit Jahren mit Hilfe einiger Freunde tut. Zuletzt hatte die Gruppe eine Suchaktion auf einem Feld in der Nähe der sevillanischen Stadt La Rinconada durchgeführt.
Die Firma Lazarus Technology, die mit der Analyse des Telefons von Miguel Carcaño beauftragt ist, wird die Ergebnisse ihrer Arbeit dem Gericht in Sevilla in Kürze vorlegen, nachdem sie mit dem Klonen des Geräts, das er in der Tatnacht benutzt hat, gearbeitet hat. In Erklärungen gegenüber der Presse erinnerte der Direktor der Cyber-Spionageabteilung des Unternehmens, Jorge Coronado, daran, dass sie seit April dieses Jahres ausschließlich mit dem Mobiltelefon von Carcaño arbeiten mussten, nachdem sie das von Marta nie gefunden hatten, und bedauerte, dass das Gericht es ihnen nicht erlaubt hat, die Telefone von weiteren Personen zu untersuchen, die mit den Ereignissen in Verbindung stehen könnten.
Hintergrund:
Marta del Castillo Casanueva, eine 17-jährige Schülerin aus Sevilla, verschwand am 24. Januar 2009 spurlos und hinterließ eine der rätselhaftesten und tragischsten Geschichten Spaniens. An jenem Tag hatte Marta ihr Elternhaus verlassen, um sich mit ihrem damaligen Ex-Freund Miguel Carcaño zu treffen. Ihre Eltern, Antonio del Castillo und Eva Casanueva, ahnten zunächst nichts Schlimmes, als Marta nicht wie gewohnt nach Hause zurückkehrte. Doch als sie weder telefonisch erreichbar war noch auf Nachrichten reagierte, machte sich die Familie zunehmend Sorgen. Noch in der Nacht begannen sie, Freunde und Bekannte zu kontaktieren und sich nach Marta zu erkundigen – alles vergeblich.
Die großangelegte Suchaktion
In den Tagen nach ihrem Verschwinden entwickelte sich eine beispiellose Suchaktion, an der nicht nur die Polizei, sondern auch Hunderte freiwillige Helfer teilnahmen. Die Straßen von Sevilla wurden mit Fotos von Marta plakatiert, und die Medien berichteten landesweit über das mysteriöse Verschwinden der jungen Frau. In den sozialen Netzwerken, die damals gerade an Bedeutung gewannen, verbreitete sich die Suche nach Marta viral. Trotz dieser enormen Bemühungen blieb jede Spur von ihr aus.
Der Durchbruch: Festnahmen und Geständnis
Am 13. Februar 2009, knapp drei Wochen nach Martas Verschwinden, nahm die Polizei Miguel Carcaño, ihren Ex-Freund, und fünf weitere Personen fest, die alle in Verbindung mit dem Fall stehen sollten. Unter den Verdächtigen befanden sich Carcaños Halbbruder Francisco Javier Delgado, dessen Freundin María García, und Francisco Javier García, besser bekannt als „El Cuco“. Letzterer war zur Tatzeit minderjährig.
Im Zuge der Ermittlungen gestand Miguel Carcaño schließlich, Marta getötet zu haben. Er erklärte, es sei nach einem Streit zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung gekommen, bei der Marta ums Leben kam. Carcaño behauptete zunächst, die Leiche in einem Teppich eingewickelt und im Fluss Guadalquivir entsorgt zu haben. Diese Aussage führte zu großangelegten Suchaktionen im Fluss und in umliegenden Gebieten, die jedoch keine Ergebnisse brachten. In den folgenden Jahren änderte Carcaño mehrfach seine Version der Ereignisse, was die Ermittlungen zusätzlich erschwerte. So beschuldigte er unter anderem seinen eigenen Halbbruder, der eigentliche Täter zu sein.
Prozesse und Verurteilungen
Im Jahr 2011 wurde Miguel Carcaño schließlich wegen Mordes und der Beseitigung der Leiche zu 21 Jahren und 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Anklage sah es als erwiesen an, dass Carcaño Marta im Verlauf eines Streits in seiner Wohnung mit einem Aschenbecher erschlagen hatte. Trotz seines Geständnisses blieb der Verbleib von Martas Leiche ungeklärt, was für die Familie bis heute eine unerträgliche Belastung darstellt.
Andere Verdächtige wurden entweder freigesprochen oder erhielten nur milde Strafen. Francisco Javier García, „El Cuco“, wurde wegen Behinderung der Justiz verurteilt, da er während der Ermittlungen falsche Aussagen gemacht hatte. Später gestand er jedoch, während des Mordes anwesend gewesen zu sein. Dieses Geständnis hatte jedoch keine weiteren rechtlichen Konsequenzen, da die Justiz den Fall bereits abgeschlossen hatte.
Der Schmerz der Familie und die Suche nach Antworten
Für Martas Familie war das Urteil ein Schlag ins Gesicht. Sie sahen sich nicht nur mit der Tatsache konfrontiert, dass der Körper ihrer Tochter nie gefunden wurde, sondern auch mit einer Reihe juristischer Rückschläge, die ihre Hoffnungen auf Gerechtigkeit immer wieder zerschlugen. Antonio del Castillo und Eva Casanueva setzten sich unermüdlich dafür ein, den Fall wieder aufzurollen und neue Untersuchungen einzuleiten. Sie forderten unter anderem, dass die Mobilfunkdaten der Verdächtigen umfassender analysiert und die Rolle von Carcaños Halbbruder erneut geprüft werden. Doch diese Bemühungen blieben erfolglos.
Der Fall Marta del Castillo bleibt bis heute eines der tragischsten und kontroversesten Kapitel der spanischen Kriminalgeschichte. Mehr als 15 Jahre nach ihrem Verschwinden hat die Familie weder Antworten noch die Möglichkeit, ihre Tochter würdig zu bestatten.